Interview

Wie wird man cool, Heinz Strunk?

 

UniSPIEGEL:
Wer Ihren Debütroman liest, bekommt Mitleid mit dem jungen Heinz Strunk. Sie waren ein verpickelter Jugendlicher, der sein Leben auf Schützenfesten in der niedersächsischen Provinz verbrachte, dort Tanzmusik spielte und sich ansonsten der Masturbation hingab. Sind Sie froh, endlich 43 Jahre alt und erwachsen zu sein?

Heinz Strunk:
ja. Meine Jugend war zwar nicht ganz so hart wie im Buch dargestellt, aber etwa 90 Prozent der Gruselberichte stimmen. Das Aufschreiben war mir selbst peinlich.

UniSPIEGEL:
Die Zeit als Jugendlicher und junger Erwachsener gilt gemeinhin als unheimlich aufregende Phase, die in der Popmusik und der Literatur besungen und bejubelt wird. Warum ist Ihr Anti-Buch dennoch erfolgreich?

Strunk:
Weil ich viel näher an der Wahrheit dran bin als diese Jugend-ist-geil-Propaganda.

Heinz Strunk

Der Hamburger Erfolgsautor Heinz Strunk ("Fleisch ist mein Gemüse") weiß alles über Coolness, spackige Außenseiter und weibliche "Biester". Im UniSPIEGEL-Interview spricht er über seine Leidensjahre als Jugendlicher und die Wonnen des Erwachsenwerdens.
Sein musikalisches Meisterwerk: "Computerfreak"!

Viele Heranwachsende haben Probleme mit dem Erwartungsdruck, der auf ihnen lastet: Du musst cool sein, eine Freundin haben, die richtigen Klamotten tragen, dazugehören. Empfindsamere Gemüter, und die gibt es zuhauf, kommen da kaum mit - und werden zu spackigen Außenseitern degradiert.

UniSPIEGEL:
Was ist denn heute cool?

Strunk:
Cool ist jemand, der sich im Griff hat, der Stil hat, ein Gefühl für Ästhetik, souverän ist, über sich selbst lachen kann. Aber das ist man meistens erst im Alter.

UniSPIEGEL:
Und die Jungs, die damals cool waren?

Strunk:
Auf dem Schulhof waren die Lederjackenträger, die Raucher, die etwas machohaft anmutenden Typen angesagt. Aber das war eben auch eine Art Stumpfheit, mit der man es als 18-Jähriger weit bringen kann, die aber später schnell an Reiz verliert.

UniSPIEGEL:
Zu dieser Gruppe gehörten Sie ja nicht.

Strunk:
Nein, ich war introvertiert. Zudem habe ich ja als Twen eine ordentliche Depression ausgebrütet, die mich ziemlich im Griff hatte. Das einzig Positive daran ist, dass die damit einhergehende Sensibilität für meine Arbeit sehr wichtig ist.

UniSPIEGEL:
Sie beschreiben Mädchen und junge Frauen als "Biester", die Sie mit ihren Reizen fertig machten. Hassten Sie Frauen?

Strunk:
Nein, das nun nicht. Ich - und viele andere meiner Freunde - kamen nur nicht klar mit der Welt da draußen, und Frauen waren ein Teil des Problems. Wir waren unattraktiv und standen unserer aufblühenden Libido machtlos gegenüber, denn die Mädels nahmen von uns keine Notiz. Deshalb nannten wir sie "Biester", einzig dazu geschaffen, uns durch ihre schiere Existenz zu quälen. Wir haben uns ja mit Mitte 20 nicht als "Männer" begriffen, sondern blieben in einem Jungsstadium stecken. Ich glaube, dass viele Typen sich erst mit weit über 30 als "Männer" bezeichnen.

UniSPIEGEL:
Was ist aus den Mädchenhelden von damals geworden?

Strunk:
Die machen doch heute nur ödes Zeug. Neulich war ich auf einem Klassentreffen, da hätte ich fast angefangen zu heulen. Allein die Physiognomie der Kerle: aufgedunsen, breiig, ausdruckslos. Machen langweilige Jobs in langweiligen Firmen. Ihrem Wesen gemäß, muss man meistens leider sagen.

UniSPIEGEL:
Wann kam die Wende bei Ihnen?

Strunk:
Ich habe mich früh in die Literatur geflüchtet, habe Hesse, Kafka und Bukowski gelesen. Das hat mir eine neue Welt eröffnet. Dann hatte ich das Glück, Förderer zu finden, die mich von dem Vorort Harburg nach Hamburg verfrachteten und meine ersten Gehversuche im künstlerischen Bereich wohlwollend begleiteten.

UniSPIEGEL:
Klappt's mit den Frauen heute besser?

Strunk:
Keine Probleme. Nach den Lesungen kommen immer welche und wollen meine Telefonnummer oder E-Mail-Adresse.

UniSPIEGEL:
Und?

Strunk:
Ich rücke nichts raus, ich habe eine Freundin. Ein richtiges kleines Biest, ganz für Heinz Strunk allein.


Heinz Strunk alias Mathias Halfpape aka Heinzer aka Jürgen Dose ist Autor, Musiker und Entertainer aus Hamburg. "Bis vierzig muss jeder durchhalten, dann kann er sich frei entscheiden", schreibt Strunk, 43, in seinem Bestseller "Fleisch ist mein Gemüse - eine Landjugend mit Musik". Darin schildert er den Leidensweg eines hoffnungslos verpickelten und verkorksten Musikers, der mit der Tanzkapelle Tiffanys durch Niedersachsens Provinz rumpelt, wobei die "Biester" ihm schwer zusetzen.

Später hat Strunk sich frei für sonderbare Auftritte entschieden: mit "Fleischmann TV" bei Viva, mit dem Telefonterror-Kollektiv Studio Braun oder mit seinem neuen Hörspiel-Projekt "Trittschall im Kriechkeller".